zurück

Der Ökostrom-Bluff der Stadtwerke Waldkirch

20.04.11 Eine Welle ökologischen Stroms schwappt über das be­weg­te Land. Aber es ist nicht überall Öko drin, wo Öko drauf steht. Eindeutige Mogelpackungen sind RECS-Zertifikate.

Wie wir kürzlich erfahren haben, behaupten die Stadtwerke Waldkirch gegen­über ihren Kunden, sie würden reinen Ökostrom verkaufen. In uns vor­lie­gen­den Schreiben betont Vertriebsleiter Trenkle ausdrücklich:  „Seit dem 1. Ja­nu­ar 2011 besteht unser „Strommix“ zur Belieferung aller Strom­kunden der Stadtwerke Waldkirch zu 100% aus regenerativ erzeugtem Strom aus Wasser­kraft.“

Unsere Recherche ergab, dass die Stadtwerke ihrem Angebot lediglich ein grünes Mäntelchen kaufen. RECS-Zertifikat nennt sich dieses Schmuckwerk. Aber das ist eine Mogelpackung, denn die Stadtwerke kaufen nach wie vor Graustrom ein, also Strom aus AKW, Kohle usw.

Auf einer Protestveranstaltung am 21. 3. bestätigte OB Leibinger vor etwa 300 Zuhörern die Tatsache, dass die Stadtwerke auch 2011 nicht atomstromfrei liefern. Der Elztäler Wochenbericht berichtete.

Möglich macht dies ein System zur Umetikettierung und Verschleierung der Stromherkunft, genannt RECS (Renewable Energy Certificate System). Wer die Mitgliederliste dvon RECS gelesen hat, weiß wer dahinter steckt und wessen Interessen hier bedient werden. EnBW, E.On, RWE, Vattenfall, also die Atomkonzerne. Sie bieten diese Umetikettierung an, um ihren Atomstrom weiter verkaufen zu können in einem Markt, der solchen Strom immer weniger haben will.

Aus Grau mach Grün – wie funktioniert der Zauber mit  RECS?

Die Stadtwerke kaufen nach wie vor Graustrom für etwa 7 Cent ein. Zusätzlich erwerben sie noch dieses grüne Mäntelchen hinzu. Dafür zahlen sie  0,05 Cent an einen Wasserkraftwerksbetreiber in Norwegen. Jetzt dürfen sie ihren Graustrom Wasserstrom nennen. Im Gegenzug darf das nor­we­gi­sche Kraft­werk dieselbe Menge Strom nur noch als Graustrom verkaufen. 

Die norwegischen Kraftwerksbetreiber haben gemerkt, dass sie sich ganz leicht etwas dazu verdienen können. Und der norwegische Verbraucher stört sich nicht daran. Er weiß ja, dass norwegischer Strom fast komplett aus Wasser­strom stammt.

Uwe Leprich von der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes bezeichnet diese Praxis im Hamburger Abendblatt als „Täuschung des Verbrauchers".

Wohin geht unser Geld?

Der magere Umwelt-Nutzen: lediglich 0,05 Cent des Strompreises landet bei einem Öko-Kraftwerk. Der Stromkunde, der mit RECS-zertifiziertem Ökostrom versorgt wird, glaubt, dass er mit seiner Stromrechnung den Betrieb und Ausbau von Anlagen für erneuerbaren Energien fördert. Tatsächlich erhält das Kraftwerk in Norwegen, das das RECS-Zertifikat verkauft hat, vom Geld des Verbrauchers nur ein Hundertvierzigstel (0,7 %) dessen, was der AKW-Konzern erhält (0,05 Cent bzw. 7 Cent/kWh).

Setzt RECS Anreize für den Ausbau Erneuerbarer Energien?

Die Theorie von RECS verspricht einen Schub für Erneuerbare, In der Praxis funktioniert das nicht, da das Angebot alleine an europäischer Wasserkraft viel größer ist als die Nachfrage nach RECS-Zertifikaten. Daher bleibt der Preis für die RECS-Zertifikate niedrig, so dass jeder Anbieter jedem Kunden Grünstrom ohne wesentliche Mehrkosten anbieten kann und obendrein auch noch seinen Graustrom los wird.

Der einzige erkennbare Anreiz: Strom aus Atom- und Kohlekraftwerken kann länger verkauft werden, auch wenn die Nachfrage nach Graustrom sinkt. Denn viele umweltbewusste Verbraucher übersehen leider den Graustrom unter dem grünen Mäntelchen.

Der Ausbau durch RECS funktioniert aber schon aus Systemgründen nicht. Dazu müssten die Norweger mehr Strom exportieren oder selbst mehr verbrauchen. Denn der Strom bleibt ja dort, zu uns wird nur das grüne Mäntelchen geliefert.

Wo gibt es richtigen Ökostrom?

Vier unabhänge Ökostromanbieter verwenden ausdrücklich keine RECS-Zertifikate: EWS Schönau, Greenpeace Energy, Lichtblick und Naturstrom. Sie kaufen wirklich Ökostrom und nicht nur ein grünes Mäntelchen für Graustrom. Hier landet garantiert 0 Cent bei den Atom- und Kohlestromern. Darüber hinaus verbindet jedes dieser Unternehmen weitere Versprechen mit ihrem Grünstromangebot. EWS-Schönau kauft beispielsweise keinen Strom bei Unternehmen, die Verflechtungen mit der Atomindustrie aufweisen.

Weitere Informationen bei www.atomausstieg-selber-machen.de

Intransparenz bei den Stadtwerken Waldkirch und beim TÜV

Weder auf ihrer Website noch in den Vertragsunterlagen weisen die Stadt­werke Waldkirch auf die Tatsache der RECS-Zertifikate hin. Erst auf Nach­frage werden diese zugeschickt. Wer das nicht weiß und nicht nachhakt, muss annehmen, dass sein Stromgeld zu einem Wasserkraftwerk wandert. Statt dessen gehen 99,3 % an einen Atomkonzern. Auch das Zertifikat des TÜV Süd erwähnt den Etikettentausch mittels RECS mit keiner Silbe.
Auf unsere Anfrage mit der Bitte um Stellungnahme haben die Stadtwerke Waldkirch bis heute nicht geantwortet. 

Mit RECS gegen das Erneuerbare-Energien-Gesetz

RECS wurde ursprünglich von der Stromwirtschaft ins Leben gerufen, um das EEG zu verhindern. Das rot-grüne Gesetz aus dem Jahr 2000 garantiert den Anlagenbetreibern über einen bestimmten Zeitraum einen festen Ver­gü­tungs­satz für den von ihnen erzeugten Ökostrom. Das EEG gilt als erfolgreichstes Instrument der deutschen Umwelt­politik und wurde bis heute von fast 50 Staaten in seinen Grundzügen übernommen. Bis 2020 soll der Anteil er­neu­er­barer Energien an der deutschen Strom­versor­gung auf mindestens 20 Prozent ansteigen. 2010 waren schon 16,5 Prozent erreicht. Auch wenn als Ziel von RECS ebenfalls die Förderung regenerativer Energien ange­geben wird, so ist dies allein mit Zertifikaten nicht zu erreichen. RECS-Zertifikate können das EEG nicht ersetzen. Genau deshalb trommeln die Stromriesen gegen das EEG und für ein Zertifikatesystem.